Bericht in der Bild der schweizer Sonntagszeitung vom Sonntag, den 01.09.2002

Jetzt kommt der Klon im Medaillon

Wer etwas auf sich hält, trägt den DNA-Faden seiner Liebsten um den Hals – in Alkohol konserviert und in ein Schmuckstück eingegossen

VON HAYMO EMPL
Eines Morgens bin ich aufgewacht und habe mich entschlossen, es zu tun», liess der amerikanische Genealoge Kevin F. Duerinck via eigene Homepage seine Fangemeinde wissen. Er habe sich entschieden, seine eigene DNA sowie das Erbmaterial seiner Eltern untersuchen zu lassen. So wolle er herausfinden, «ob Menschen mit dem gleichen Familiennamen wirklich mit mir verwandt sind».
Duerinck ist mit seinem Projekt nicht allein. Hunderte von Hobby-Ahnenforschern versuchen mit Hilfe von DNA-Analysen und Internet Ordnung in den eigenen Familienstammbaum zu bringen. Bislang war die Rekonstruktion der Familiengeschichte eine mühselige Arbeit – verbunden mit der zeitraubenden Lektüre von Familienbüchern, dem Besuch von Archiven und Einwohnerämtern und dem Wälzen von staubigen Akten. Mit den DNA-Daten, so Duerincks Hoffnung, wird dies alles viel einfacher.
Auf den ersten Blick mag das Vorgehen des Genealogen überraschen. Denn bislang wurden DNA-Analysen haupt-sächlich in streng wissenschaftlichen oder juristischen Kontexten genutzt. Etwa bei Vaterschaftsklagen, bei Abklärungen von Verbrechen oder, mehr wissenschaftlich, bei der Rekonstruktion der menschlichen Abstammungslinie oder bei der Verwandtschaftsanalyse von Tieren und Pflanzen. Nun dringt die DNA langsam in den Mainstream: Die DNA-Analyse, aber auch das Erbmaterial selber, wird heute auch für alltägliche Anwendungen in den Dienst genommen – etwa als trendiges Modeaccessoire.

Amerikanische Firmen bieten bereits Home Gene Kits an

In einen herzförmigen Schlüsselanhänger oder einen schicken Ohrring gegossen, tragen Szeneleute die DNA ihrer Partner als einzigartiges Souvenir mit sich durch den Alltag. Eingebunden in einem kleinen Glasherz befindet sich ein Tropfen Alkohol. Und darin schwimmt, kaum grösser als ein Punkt, der genetische Fingerabdruck eines Menschen, der wahlweise in Blau, Rot, Grün, Gelb oder Orange ausgeliefert wird. Unter UV-Licht funkeln die in den Schmuck gegossenen DNA-Fäden dann wie Christbaumkugeln. Kostenpunkt des Avantgardespasses: 95 Dollar bei dnacapsulas.com oder 30 Euro bei dna4u.de
Mittlerweile bieten zahllose amerikanische Firmen Dienstleistungen im Umfeld der DNA-Analyse an. Ähnlich wie vor rund 20 Jahren der Schwangerschaftstest für den Hausgebrauch für Furore sorgte, wird jetzt auch die Genanalyse popularisiert und als so genanntes Home Gene Kit auf den Markt gebracht. In den letzten Monaten sind die Anbieter für diese Gen-Heimdiagnostik wie Pilze aus dem Boden geschossen – vor allem im Internet.
Angeboten wird vor allem die Analyse des Erbgutes. Das kalifornische Unternehmen DNA-Filer (www.dnafiler.com) bietet seinen Service für knapp zehn Dollar an und liefert den Kunden die DNA-Informationen auf einer kreditkartengrossen Unterlage aus. Genetree.com, ebenfalls in Kalifornien beheimatet, ist bereits bedeutend teurer – der DNA-Pass kostet dort 150 Dollar. Für 75 Dollar Aufpreis ist allerdings bei genetree ein besonderer Service zu haben: die Lagerung des Erbgutes bei minus 80 Grad während 25 Jahren in einer DNA-Bank.
Die Handhabung der Home Gene Kits ist einfach: Der Anwender kann zu Hause einen Abstrich der Mundschleimhaut vornehmen oder sich einige Bluttropfen entnehmen und das so gewonnene Zellmaterial per Kurier nach Amerika schicken. Als Kontrolle dient ein Indikatorpapier. Verfärbt es sich pink, heisst das für den Benutzer, dass genügend Erbmaterial entnommen wurde.
Die Labors isolieren dann die eingesandte Erbinformation aus dem Zellmaterial, fertigen einen DNA-Pass an und lagern die gewonnene DNA in ihren gekühlten Archiven. Inzwischen bieten die Labors bereits eine Aufbewahrung bis zu hundert Jahren an. Das mag bei manchen Home-Gene-Kits-Bestellern die Fantasie erzeugen, das dort verwahrte Erbgut könne später einmal medizinisch genutzt oder für die Herstellung eines Klons verwendet werden.
Obwohl die meisten Firmen sich davor hüten, solche Versprechungen abzugeben, finden sich immer wieder versteckte Hinweise auf eine mögliche spätere Nutzung. Genetree etwa deutet vage an, dass die Möglichkeit zum Klonen künftig ins Programm aufgenommen werden könnte. Sich mit Klonabsichten zu brüsten, ist heutzutage für eine nur halbwegs seriöse Firma wenig opportun. Zu gross sind allein schon die technischen Risiken und Unabwägbarkeiten, ganz zu schweigen vom umstrittenen Nutzen eines Klons. Anders sieht das die Klonsekte der Raëlier, für die Klonen die Auferstehung ist (www.clonaid.com).

Die Werbeversprechen sind wissenschaftlich nicht haltbar

Branca Sevic, medizinische Praxisassistentin des Schönheitschirurgen Christoph Wolfensberger, möchte sich nicht klonen lassen. Sie hat dennoch ein Gene Kit ausprobiert, weil sie überzeugt ist, dass künftig Krankheiten mit Hilfe des Erbguts geheilt werden können. Die gelagerte DNA soll helfen, im Notfall auf möglichst unbeschädigtes Erbgut zurückgreifen zu können – ein Argument, das von den US-Firmen ebenfalls gerne als Werbung für Gen-Sets benutzt wird, wissenschaftlich aber kaum haltbar ist.

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